Er muss es wissen, denn er ist nahe bei der Kundschaft und Experte im Thema: Reto Bruderer, Leiter Risk Engineering bei Helvetia, beantwortet Fragen rund um die Top Risiken für KMU, und wie sich Unternehmen am besten dagegen schützen können.
Früher kümmerte sich der Chef oder die Chefin eines KMU vor allem um das Herstellen oder Vertreiben von Gütern oder Dienstleistungen. Kerngeschäft gut, alles gut, könnte man sagen. Heute ist die Welt vernetzter – angetrieben durch die Globalisierung und Digitalisierung. Ausserdem verändern sich die rechtlichen Rahmenbedingungen rasant. Heute muss sich die verantwortliche Person an der Spitze eines KMU folglich mit ganz anderen Fragen beschäftigen: Ist meine IT-Infrastruktur sicher, wenn Kriminelle angreifen? Welche Regulatorien entwickeln sich weiter, die mein Geschäft betreffen? Und wie abhängig ist eigentlich mein Unternehmen von Lieferungen aus anderen Ländern?
Eine gute Frage, mit der sich Geschäftsführende, Fachleute, Studien und Medien auseinandersetzen. Meine Auswahl ist also nichts Neues, aber meine eigene «Top 5»:
Gerade die ersten beiden hängen eng zusammen. Ein Betriebsunterbruch war schon immer eines der Top-Risiken. Man stelle sich vor: Wenn ein Unternehmen eine gewisse Zeit lang nicht wirtschaften kann, wird das Geld für laufende Kosten wie beispielsweise Löhne, Mieten oder Sozialabgaben knapp. Das kann die Existenz eines KMU gefährden. Dabei sind die Ursachen für einen Betriebsunterbruch sehr vielfältig. Für die allermeisten bieten Versicherungen Lösungen an. Wenn die Produktion wegen Feuer, Hochwasser, Diebstahl oder Vandalismus zum Stillstand kommt, bezahlt die Sachversicherung den Ertragsausfall, wenn dieser mitversichert wurde.
Eher neu ist hingegen das Risiko eines Betriebsunterbruchs durch Cyberangriffe. Und wenn man bedenkt, dass viele Produktionen oder auch Dienstleistungen digitalisiert sind, wird das Ausmass dieser Gefahr ersichtlich. Fast täglich berichten die Medien von Cyberattacken, die erheblichen Schaden anrichten und eben auch zu Produktions- oder Dienstleistungsfällen führen.
Drei Pfeiler zeichnen ein professionelles Cyber-Risikomanagement in der heutigen Zeit aus. Erstens braucht es eine sichere IT-Infrastruktur, die von Profis gewartet und betreut wird. Zweitens: Die Infrastruktur ist nur so stark wie der Mensch, der sie bedient, was massgeblich von den organisatorischen Elementen – beispielsweise Zugriffs- oder Passwortkonzepte – abhängt. Heisst konkret: KMU-Verantwortliche müssen ihre Mitarbeitenden schulen, damit Cyberkriminelle wenig Chancen haben, das Netzwerk anzugreifen. Wir bei Helvetia bieten beispielsweise kostenlose E-Learnings an, um das Thema Cyber-Sicherheit zu vermitteln. Last but not least: Brechen die beiden ersten Pfeiler ein, ist die Cyber-Versicherung da, wenn es darauf ankommt. So übernimmt sie einerseits Kosten für die Schadenanalyse, Wiederherstellung von Daten oder Begleichung von Haftpflichtansprüchen. Andererseits kommt sie für den Ertragsausfall infolge eines Betriebsunterbruchs auf. Ausserdem wichtig: Das Expertennetzwerk von Helvetia unterstützt bei der Bewältigung der Krise – mit Know-how aus den Bereichen IT, insbesondere bei dem Incident-Handling oder auch der Kommunikation. Eine solche Situation lässt sich nur gemeinsam stemmen.
Ja, die gibt es. Ich gestehe aber ein, dass ich in solchen Fällen nicht der Experte bin. Eine Versicherung gegen Lieferengpässe gibt es nicht. Ich sehe in meiner alltäglichen Arbeit nur, wie gewisse meiner Kundinnen und Kunden vorausschauend planen oder das Lieferantennetzwerk erweitern, um das Risiko zu verteilen. Andere bauen die Lagerkapazitäten aus oder stellen auf lokale Lieferanten um. Ohnehin gibt es Beratungsunternehmen, die sich auf Risikomanagement bei Lieferengpässen spezialisiert haben und so KMU unterstützen. Solche Angebote findet man dank einer kurzen Recherche im Internet.
Mal vorweg: Auch gegen diese beide Risiken gibt es keine Versicherung. Nichtsdestotrotz liegt es mir am Herzen, darauf aufmerksam zu machen. Auf meinen Reisen im In- und Ausland sehe ich, was erfolgreiche Unternehmen auszeichnet. Es sind die Mitarbeitenden, die in einer Sache so richtig gut sind. Fehlen aber ausgebildete Fachkräfte oder wird Wissen nicht weitergegeben, können Lösungen für Kundinnen und Kunden plötzlich nicht mehr – oder nur in geringerer Qualität – angeboten werden. Auch das gefährdet das Bestehen eines Unternehmens.
Erfolgreiche Unternehmen investieren nicht nur in Materielles, sondern auch in Menschen. Wer Mitarbeitende gezielt fördert und dafür Zeit und Geld in die Hand nimmt, wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Zusätzlich müssen Unternehmen den Austausch ermöglichen, sodass erfahrene Mitarbeitende den eher unerfahrenen wertvolles Wissen vermitteln können. Auch hier muss man bedenken, dass dieser Wissenstransfer Zeit in Anspruch nimmt.
Was ich zudem noch sagen will: Ich habe in diesem Gespräch viel von Risiken und Gefahren gesprochen. Es ist halt mein Job, Risiken zu bewerten. In meinem Alltag erlebe ich aber auch den Perspektivenwechsel. Ich sehe, wie Unternehmen und die Menschen nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen sehen. Das fasziniert mich immer und immer wieder. Nicht nur deswegen liegen mir KMU am Herzen.