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Engagement
COVID-19

«Die Freiwilligenarbeit hat sich verändert»

Das Schweizer Vereinswesen basiert auf dem Prinzip der Freiwilligenarbeit. Die Bereitschaft dazu sei aber immer seltener vorhanden, hört man immer wieder aus Vereinen. Stimmt nicht, sagt der Fachmann, man müsse die Leute nur richtig ansprechen.

2. Juni 2020, Text: Felix Mätzler, Foto: Deposit

Ein Gruppe Menschen die fröhlich eine Hand in die Luft hält

Zwei Drittel der über 15-jährigen Personen in der Schweiz gehören einem Verein an, und jede vierte Person engagiert sich in diesem Land ohne Bezahlung in einem Verein oder in einer vergleichbaren Organisation. Diese Zahlen veröffentlichte vitamin B, eine Fachstelle für Vereine, in einer Broschüre. Kein Wunder also, gelten Schweizer und Schweizerinnen als «Vereinsmeier», und es geht das geflügelte Wort, dass, wo immer drei Eidgenossen zusammenkommen, bald schon ein Verein gegründet werde.

«Die Leute wollen etwas bewegen»

Doch nun scheint diese schöne Tradition ins Wanken zu geraten, denn immer häufiger hört man die Klage aus Vereinen, es sei zunehmend schwierig, Menschen zu finden, die sich engagieren: Kein Kassier mehr, keine Handballtrainerin und niemand, der mit alten Menschen im Park spaziert? «Das stimmt so nicht», sagt Thomas Hauser, Geschäftsleiter von benevol Schweiz, die Organisation, die Engagements im Bereich Freiwilligenarbeit vermittelt. Allerdings hätten sich die Beweggründe vieler Menschen in den letzten Jahren verändert. Verschwunden sei bei den meisten das Motiv der Selbstlosigkeit: «Die Leute wollen nicht mehr einfach ‚etwas Gutes‘ tun, sie wollen Spass haben oder sie wollen mit anderen Menschen zusammen etwas bewegen.»

Wichtiger sind die weichen Faktoren

Auch die Bereitschaft, sich auf Jahre, gar Jahrzehnte hinaus zu verpflichten, habe abgenommen, sagt Hauser. Das müsse aber auch kein Problem sein, wenn sich die Vereine diesen veränderten Begebenheiten anpassten. Hauser nennt ein Beispiel aus dem Bereich Mentoring, etwa wenn es um die Unterstützung Jugendlicher bei der Jobsuche geht: «Wenn man sich für ein solches Engagement nur vier Monate verpflichten muss, finden wir ganz schnell genug Leute, die das machen wollen.»
Die Freiwilligenarbeit oder das Ehrenamt – so heisst die Mitarbeit im Vereinsvorstand – sind ein wichtiger Pfeiler der Vereinskultur in der Schweiz. Es sind Arbeiten, die nicht finanziell vergütet werden, allenfalls werden die Spesen bezahlt. Umso wichtiger sind dann aber weiche Faktoren, wie etwa Wertschätzung, Sinngebung, Freude oder der soziale Kontakt.

Hier gibt es Unterstützung für Vereine

Freiwillige und Vereine zusammenzubringen, das hat sich der Verein benevol zur Aufgabe gemacht. Benevol hat 16 regionale Fachstellen in der ganzen Schweiz und bietet auch eine Online-Jobvermittlung. Unterstützung für Vereinsvorstände, etwa bei rechtlichen oder finanziellen Fragen, bietet die Fachstelle vitamin B, ein Angebot des Migros Kulturprozent. Bei beiden Organisationen gibt es Beratung und Weiterbildungen – auch für den Vorstand, der seinen traditionellen Verein den heutigen Begebenheiten anpassen will. Im Tessin kümmert sich die Conferenza del volontariato sociale (CVS) um die Anliegen der Vereine.

Grosse regionale Unterschiede

Das schweizerische Vereinswesen wird auf Bundesebene nicht gefördert. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – hat die Vereinskultur im Land ungeheuer viele Facetten, mit allen Vor- und Nachteilen; die Verhältnisse sind von Ort zu Ort unterschiedlich: Es gibt Gemeinden, die ihren Vereinen Weiterbildungen anbieten, Infrastruktur zur Verfügung stellen oder sogar einen eigenen Vereinskoordinator beschäftigen, während andere Gemeinden diesbezüglich nichts zu bieten haben. Auch die sprachregionalen Unterschiede sind sehr gross. Support für Vereine ist in der Deutschschweiz anders organisiert als in der Westschweiz und noch einmal ganz anders ist die Situation im Tessin.