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Kunst

Gigantische Farbspritzer für neue Büroräumlichkeiten

«Vollkasko» lautet der Titel des Kunst-am-Bau-Projekts von Christine Streuli. Mit diesem Werktitel stellt die in Berlin lebende Künstlerin augenzwinkernd einen Bezug zu Helvetia her und eröffnet gleichzeitig einen visuellen Diskurs über Freiheiten, Kunst und Wert. Im Interview verrät die Schweizerin mehr über ihr Kunstwerk und erzählt, wie sie auf die Idee gekommen ist, übergrosse Farbspritzer an den Wänden der neuen Büroräumlichkeiten zu platzieren.

27. April 2021, Text: Mirjam Arnold, Video: Helvetia

Christine Streuli, was hat dich an diesem Projekt besonders gereizt und dazu bewogen, diesen Auftrag anzunehmen?

Die Aufgabe stellte mich vor eine neue Herausforderung: Ich habe zum ersten Mal ein Werk generiert, das sowohl auf verschiedenen Etagen als auch als Totale funktioniert. Das ist sehr selten, normalerweise steht man vor einer zusammenhängenden Wand. Ich habe mich sehr gefreut, das Projekt realisieren zu können, da die Ausgangslage viel mit meiner Arbeit an sich zu tun hatte: Fragmente, Raum, Körper und Struktur zählen zu den Komponenten, die mich an der Malerei besonders interessieren.

Das Gebäude selbst hat durch die Fassade eine sehr starke Struktur. Wie hast du dich dieser genähert?

Ich gehe sehr gerne auf Räume und Räumlichkeit ein. Das Gebäude besitzt in der Tat eine sehr klare, gradlinige Struktur. Als ich diese sah, war mir schnell klar, dass ich mit meiner Malerei dem entgegenwirken möchte. Etwas Amorphes und Vertikales war nötig, um diese strenge Struktur und Organisation aufzubrechen.

Du hast dich für Farbflecken und Farbspritzer entschieden. Wie bist du zu dieser Idee gekommen?

Farbflecken und Farbunfälle sind Themen, die der Malerei immanent sind. Ich begegne Farbspritzern tagtäglich im Atelier. Der Gedanke, diese Zu- und Unfälle auf eine Fassade zu übertragen hat mich begeistert. Bei meinen regelmässigen Spaziergängen durch Berlin sehe ich oft Farbexplosionen an Häuserfassaden, davon habe ich mich speziell für diese Arbeit inspirieren lassen.

Wie ist die Arbeit selbst entstanden?

Das Werk fand seinen Anfang im Atelier – mit tatsächlicher Farbe, die geschüttet wurde. Die Farbflecken aus meinem Arbeitsraum wurden digitalisiert, massstabsgetreu vergrössert und schlussendlich auf die räumlichen Gegebenheiten des Neubaus übertragen. Die Themen bleiben dieselben, ob Kunst am Bau oder Arbeit im Atelier: Oberfläche, Tiefe, Form, Bewegung und Farbe.

Diese Farbe hast du nun wortwörtlich und gleichzeitig illustrativ an der Wand platziert. Farbflecken können auch das Resultat von Unfällen der Malerei sein, bei Farbe an Wänden spricht man auch von Vandalismus – trägt dein Werk daher den Titel «Vollkasko»?

Fragen zu stellen ist viel spannender, als sie zu beantworten. Ist die Farbe hier nun eine Verschmutzung der erst kürzlich weiss gestrichenen Wand oder ist sie dekorativ? Wurde etwas zerstört und hat an Wert verloren oder ist durch die Malerei etwas Neues, Wertvolles entstanden? Die Arbeit wirft solche Fragen auf und zeigt, dass auch aus einem aggressiven Akt etwas entstehen oder resultieren kann. Dies stellt einen brisanten Bezug zum Ort her. Schliesslich handelt es sich um das Gebäude einer Versicherung. Und diese versichert den Wert von Objekten, falls diese verschmutzt oder zerstört werden.

Helvetia ist im Kunstwerk präsenter als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Das Werk sollte nicht komplett ohne Farbe auskommen. Im Hintergrund ist ein Streifenmuster zu sehen, das sich in den Diskurs um Strukturierung einreiht. Der Farbverlauf beinhaltet unter anderem die drei Corporate Farben von Helvetia. Dabei handelt es sich aber keinesfalls um ein aufgedrücktes Logo durch die Auftragsgeberin. Der Vorschlag, diese 3 eigenartigen Farben mit aufzugreifen, kam von mir persönlich und ich habe mich diesbezüglich auch durchgesetzt. Es ist interessant mitzukriegen, was eine solche Idee auslöst, meines Erachtens etwas typisch Schweizerisches, nämlich das Understatement: «Wir wollen aber nicht auf offensichtliche Art etwas damit zu tun haben». Meiner Meinung nach dürfen die Logofarben vorkommen, sollen es sogar, wenn auch nur dezent und augenzwinkernd. Und alle, die sich diesbezüglich unsicher sind, möchte ich darauf hinweisen: Auch die drei Corporate Farben von Helvetia bleiben nicht von meinem Farbanschlag verschont!